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Beobachtungs- und Beurteilungsfehler oder „Wie wir die Welt sehen“.

Lesedauer 3 Minuten

„Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind, wir sehen sie so, wie wir sind.“

Anaïs Nin


Brauchen wir wirklich einen Wegweiser durch das Labyrinth der menschlichen Wahrnehmung?

In der komplexen Welt der Wirtschaft, in welcher jede Person im Büroalltag Entscheidungen trifft, spielen Beobachtungen und Beurteilungen eine zentrale Rolle. Doch wie verlässlich sind diese Einschätzungen? Verschiedene Fehler und Effekte können unser Urteilsvermögen trüben. In der heutigen Analyse wird ein Weg durch das faszinierende Labyrinth der Beobachtungs- und Beurteilungsfehler aufgezeigt, und es werden Wege vorgestellt, wie diese Fallen erkannt und umgangen werden können.

🧠 Fehler der zentralen Tendenz

Der Fehler der zentralen Tendenz tritt auf, wenn Bewertungen zu mittleren Werten tendieren. Zum Beispiel bewertet ein Lehrer alle Schüler mit „befriedigend“, unabhängig von ihrer tatsächlichen Leistung. Dies kann durch klare Richtlinien und Skalen für Bewertungen kontrolliert werden.

🌊 Tendenz zur Milde oder zur Strenge

Manche Menschen neigen dazu, besonders milde oder streng zu beurteilen, wie ein Manager, der alle Mitarbeiter zu positiv beurteilt, um Konflikte zu vermeiden. Selbstreflexion und Auseinandersetzung mit eigenen Wertvorstellungen können diesen Fehler vermindern.

📚 Logischer oder theoretischer Fehler

Manchmal wird Logik oder Theorie statt Beobachtung verwendet, wie ein Marketing-Team, das auf Vermutungen statt auf tatsächliche Marktforschung setzt. Konzentration auf konkrete Daten und offene Fragen stellen kann dies kontrollieren. Aber Vorsicht: Korrelation ist nicht gleich Kausalität!

⏱️ Primacy- und Recency-Effekte

Der erste und letzte Eindruck werden oft stärker gewichtet, als ein nervöser Beginn eines Vorstellungsgesprächs, der das gesamte Interview prägen kann. Das gesamte Bild zu betrachten, sich stichhaltige Notizen machen und im Nachhinein vor allem Positives während dem Hauptteil Revue passieren zu lassen, kann helfen, diese Effekte zu kontrollieren.

🎭 Fundamentaler Attributionsfehler

Das Verhalten anderer wird oft auf ihre Persönlichkeit zurückgeführt, wie das Stolpern bei einer Präsentation, das als Ungeschicklichkeit interpretiert wird. Sich in die Lage anderer zu versetzen und der Situation die Beachtung zu schenken, die sie verdient, kann diesen Fehler vermindern.

🎨 Kontrast- und Reihenfolgeeffekte

Das Urteil kann durch vorherige Ereignisse beeinflusst werden, wie das Treffen mit einem durchschnittlichen Kandidaten nach einem hervorragenden. Jede Situation einzeln zu betrachten kann diesen Fehler kontrollieren.

❤️ Emotionale Beteiligung

Emotionen können das Urteil trüben, wie das unbewusste Abwerten der Ideen eines Kollegen nach einem Streit. Ebenso lenken und Sympathie, Mitleid oder Kränkungen. Erkennung und Kontrolle der eigenen Gefühle sind hier der Schlüssel.

Noch mehr Insiderwissen

Die Beobachtungs- und Beurteilungsfehler sind nicht nur auf Oberflächenebene komplex. Hier sind einige fortgeschrittene Konzepte, die besonders für Personen mit häufigen Beurteilungen relevant sein könnten:


Halo-Effekt: Bei diesem Phänomen wird eine positive Eigenschaft einer Person auf andere Bereiche übertragen. Es kann sowohl in Vorstellungsgesprächen als auch in Produktbewertungen auftreten.

Horn-Effekt: Das Gegenstück zum Halo-Effekt, bei dem eine negative Eigenschaft das gesamte Bild einer Person oder eines Produkts trüben kann.

360-Grad-Feedback: Professionelle Beurteiler nutzen diese Methode, um Verzerrungen zu minimieren. Sie sammeln Feedback von Kollegen, Untergebenen und Vorgesetzten, um ein ganzheitliches Bild zu erhalten.

Ankerheuristik: Menschen neigen dazu, sich auf eine spezifische Information oder einen „Anker“ zu fixieren, der das Urteil beeinflusst, wie ein Startgehalt bei Gehaltsverhandlungen.

Selbsttäuschung und Bestätigungsfehler: Fachleute sollten sich bewusst sein, dass sie ihre eigene Perspektive bevorzugen und Informationen suchen, die ihre bestehenden Meinungen bestätigen. Gegensätzliche Meinungen und objektive Beurteilungen können dies ausgleichen.

Kontextabhängige Urteile: Der Kontext, in dem Informationen präsentiert werden, kann die Wahrnehmung stark beeinflussen. Zum Beispiel kann die Präsentation eines Produkts neben einem teureren oder günstigeren Produkt den wahrgenommenen Wert verändern.

Sunk Cost Effekt: Dieser Fehler tritt auf, wenn bereits getätigte Investitionen (Zeit, Geld, Mühe) die zukünftigen Entscheidungen beeinflussen, obwohl sie als „versenkte Kosten“ betrachtet werden sollten. Zum Beispiel könnte ein Unternehmen in ein fehlerhaftes Projekt weiter investieren, einfach weil es bereits so viel Geld ausgegeben hat, statt die Situation objektiv zu bewerten und möglicherweise den Kurs zu ändern.

Diese fortgeschrittenen Konzepte stellen die Spitze des Eisbergs in einem Bereich dar, der sowohl faszinierend als auch komplex ist. Sie erfordern eine tiefgehende Analyse und Verständnis, um in professionellen Einstellungen angewendet zu werden.

Durch das Studium dieser und anderer fortgeschrittener Konzepte können Fachleute die Qualität ihrer Beurteilungen erheblich steigern und die Effektivität ihrer Interaktionen in organisatorischen Kontexten verbessern.

Relevanz für die Wirtschaftspsychologie

Diese Fehler sind in der Wirtschaftspsychologie von größter Bedeutung, da sie Entscheidungsprozesse, Mitarbeiterbewertungen, Marktforschung und mehr beeinflussen können. Sie wirken sich direkt auf das Verständnis und die Interaktion von Menschen in organisatorischen Kontexten aus, was die Unternehmensführung beeinflussen kann.

Und was heißt das jetzt für mich?

Die Analyse hat sich auf eine Reise durch das Feld der Beobachtungs- und Beurteilungsfehler begeben, gängige und weniger bekannte Fehler kennengelernt und Strategien besprochen, um diese zu überwinden. Die Kenntnis dieser Fehler ist nicht nur für Psychologen von Bedeutung, sondern für alle, die im wirtschaftlichen Kontext arbeiten.

Eure Karin

Keine Idee, wie’s raus geht aus dem Beurteilungschaos? Kein Problem!

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2 Gedanken zu „Beobachtungs- und Beurteilungsfehler oder „Wie wir die Welt sehen“.“

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