Zum Inhalt springen
Startseite » Blog » 🧠 Der Restorff-Effekt: Warum Einzigartiges im GedĂ€chtnis bleibt

🧠 Der Restorff-Effekt: Warum Einzigartiges im GedĂ€chtnis bleibt

Lesedauer 3 Minuten

„Das Prinzip der Psychologie ist, dass das, was einem Individuum bewusst ist, fast ausschließlich das ist, was seine Aufmerksamkeit erregt.“

William James


Warum erinnern wir uns an das Besondere und ĂŒbersehen das AlltĂ€gliche? Ab in die faszinierende Welt des Restorff-Effekts („Isolationseffekt“): Wenn man sich besser an das erinnert, was einen ablenkt und warum und wie Erinnerungshilfen unsere Wahrnehmung beeinflussen.

Wir sind im Jahr 1933, als eine deutsche Psychologin namens Hedwig von Restorff ein Experiment durchfĂŒhrte, das die Psychologie fĂŒr immer verĂ€ndert und einen neuen Effekt fand. Sie prĂ€sentierte ihren Probanden eine Liste von gleichartigen GegenstĂ€nden, unterbrach diese aber mit einem völlig unerwarteten Element. Das Ergebnis? Die Teilnehmer erinnerten sich deutlich besser an das unerwartete Element. Dies war die Geburtsstunde des Restorff-Effekts.

📖 Der Effekt

Der Restorff-Effekt, auch bekannt als „Isolationseffekt“, beschreibt das PhĂ€nomen, dass Menschen dazu neigen, sich an Informationen oder GegenstĂ€nde zu erinnern, die sich deutlich von anderen abheben.

🧬 Psychologische Grundlagen des Konzepts

Unser Gehirn ist darauf programmiert, auf Neuheiten und Abweichungen zu reagieren. Dies hat evolutionĂ€re GrĂŒnde: FrĂŒher war es ĂŒberlebenswichtig, sich an ungewöhnliche Ereignisse zu erinnern, da sie möglicherweise eine Gefahr darstellten. Heute nutzen wir diesen Mechanismus, um uns an wichtige Informationen zu erinnern.

1ïžâƒŁ Salienz: Einzigartige oder auffĂ€llige Informationen sind salienter und ziehen unsere Aufmerksamkeit auf sich. Neurologisch gesehen aktivieren saliente Reize stĂ€rker die Amygdala, einen Teil des Gehirns, der fĂŒr die emotionale Verarbeitung zustĂ€ndig ist.

2ïžâƒŁ Emotionale Verbindung: Emotionen verstĂ€rken Erinnerungen. Das limbische System, insbesondere die Amygdala, spielt eine SchlĂŒsselrolle bei der VerknĂŒpfung von Emotionen und Erinnerungen.

3ïžâƒŁ Kontext: Der Kontext, in dem wir Informationen erhalten, beeinflusst, wie gut wir uns daran erinnern. Das Gehirn speichert Informationen zusammen mit dem Kontext, in dem sie gelernt wurden.

4ïžâƒŁ Wiederholung: Je öfter wir eine Information wiederholen, desto besser können wir uns daran erinnern. Dies ist auf den Prozess der Konsolidierung im Hippocampus zurĂŒckzufĂŒhren.

5ïžâƒŁ Erinnerungshilfen: Diese helfen uns, Informationen leichter abzurufen. Sie aktivieren assoziative Netzwerke im Gehirn, die den Abruf erleichtern.

6ïžâƒŁ Kognitive Verarbeitung: Je tiefer wir eine Information verarbeiten, desto besser erinnern wir uns daran. Tiefere Verarbeitung aktiviert mehr neuronale Netzwerke.

7ïžâƒŁ Neuheit: Neue Informationen oder Erfahrungen sind fĂŒr unser Gehirn interessanter und werden eher gespeichert, da sie die Neugier und das Belohnungssystem aktivieren.

Und im Alltag?

đŸ›ïž Beim Einkaufen: Das bunte Sonderangebot inmitten von schlicht verpackten Produkten. Neurologisch gesehen aktiviert ein solches Sonderangebot den Nucleus accumbens, ein Bereich des Gehirns, der mit Belohnung und Motivation in Verbindung steht.
đŸ“ș In der Werbung: Ein unerwarteter Werbespot, der aus der Masse heraussticht. Solche Spots können die Amygdala aktivieren und so eine stĂ€rkere emotionale Reaktion und Erinnerung hervorrufen.
📚 Beim Lernen: Ein auffĂ€lliges Bild oder Diagramm in einem Textbuch, das die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Visuelle Reize können den visuellen Kortex aktivieren und so die Informationsverarbeitung und -speicherung verbessern.

đŸ€“ Nerdwissen
Retrieval Cues und der Restorff-Effekt

Retrieval Cues sind Hinweise, die helfen, Informationen aus dem GedÀchtnis abzurufen. Stell Dir vor, Du versuchst, Dich an den Namen eines Films zu erinnern, den Du vor langer Zeit gesehen hast. Plötzlich siehst Du ein Bild des Hauptdarstellers und der Filmtitel kommt Dir sofort in den Sinn. Dieses Bild diente als Retrieval Cue.

Nun, wie hÀngt das mit dem Restorff-Effekt zusammen?
Wenn ein Element oder eine Information sich von anderen abhebt (wie im Restorff-Effekt beschrieben), dient es als starker Retrieval Cue. Das bedeutet, dass diese hervorstechende Information nicht nur besser im GedÀchtnis gespeichert wird, sondern auch leichter abgerufen werden kann.

Psychologisch gesehen basiert dies auf der Annahme, dass auffÀllige oder emotionale Ereignisse stÀrkere neuronale Verbindungen im Gehirn schaffen. Diese stÀrkeren Verbindungen erleichtern den Abruf der Information spÀter. Das Zusammenspiel von Salienz (durch den Restorff-Effekt) und der FÀhigkeit zur Wiedererinnerung (durch Retrieval Cues) zeigt, wie unser GedÀchtnis Informationen priorisiert und abruft.

Quelle: Tulving, E., & Pearlstone, Z. (1966). Availability versus accessibility of information in memory for words. Journal of Verbal Learning and Verbal Behavior, 5(4), 381-391.

🧠 Ernsthaft? In der Wirtschaftspsychologie und im Produktmanagement?

Genau da wird es interessant. Schonmal ĂŒberlegt, wer das genau so designed, um den Kunden ĂŒber den Restorff-Effekt zu „fangen“ und Namen, Werbung, Botschaft oder Marke ins GedĂ€chtnis einzubrennen? Und dann, zack, kaum sieht man einen bereits eingebrannten Cue (zum Beispiel im Supermarkt), kommen Marke, Botschaft oder Produkt aus der Werbung direkt zurĂŒck ins GedĂ€chtnis.

In der Wirtschaftspsychologie wird der Restorff-Effekt eben genau da genutzt, wo Menschen erreicht werden sollen und sich spĂ€ter an Informationen, Produkte, Werbung oder Marken erinnern sollen. Also um Produkte oder Dienstleistungen hervorzuheben. Marketingexperten und Produktmanager nutzen diesen Effekt, um ihre Angebote attraktiver zu machen und sich von der Konkurrenz abzuheben. Um Aha-Effekte zu kreieren und den Überraschungsmoment fĂŒr sich zu nutzen.

âžĄïž Der Restorff-Effekt zeigt, wie unser Gehirn funktioniert und wie es Informationen verarbeitet. Durch das VerstĂ€ndnis dieses Effekts können wir besser kommunizieren, lernen und uns an wichtige Dinge erinnern. Der Effekt begleitet uns zufĂ€llig jeden Tag, hilft bei der Decodierung und Zuordnung von wichtigen Informationen, wird aber auch absichtlich von Werbe- und Produktindustrie genutzt, um Kunden zu werben und zu binden.

Auch schonmal den Restorff-Effekt bewusst bemerkt?

📧 Freue mich ĂŒber Kommentare und Nachrichten!

–Karin

PS: Wo ich das letzte Mal den Effekt gelesen habe? In einem Buch: „Tools of Titans“ von Tim Ferriss. Lesenswert!

Mehr entdecken?

Hier alle BeitrÀge aus Forschung und Studien rund um das Thema Psychologie, Wirtschaftspsychologie und Wirtschaft entdecken.

Tauch ein!

...in die Tiefen der Psychologie.

Abonniere unseren Newsletter jetzt.

Wir versprechen, dass wir keinen Spam versenden! Erfahre mehr in unserer DatenschutzerklÀrung.

1 Gedanke zu „🧠 Der Restorff-Effekt: Warum Einzigartiges im GedĂ€chtnis bleibt“

  1. Pingback: 198 Verzerrungen - Karin Schiller

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wirtschaftspsychologie
Cookie Consent mit Real Cookie Banner