Assistenz gesucht? Hilfe benötigt? Bammel vor Input anderer oder sogar fremder Personen?
ChatGPT und KI im Allgemeinen versprechen viel – aber können die Tools auch menschliche Eigenheiten ausgleichen oder sogar manchen Persönlichkeiten besonders nützlich sein?
Verhalten ist nicht nur von Umwelt, Aktion und Reaktion abhängig, sondern wird ebenso von den Persönlichkeitseigenschaften Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit, Neurotizismus und Gewissenhaftigkeit beeinflusst. Auf diese Weise beschrieben es Costa und McCrae bereits zum Forschungsbeginn der Big Five.
Vor allem bei der individuellen Ausprägung von Extra- und Introversion kann es zu zwischenmenschlichen Spannungen und verschiedenen Verhaltensweisen kommen.
Was ist Introversion eigentlich?
Extravertierte Personen werden im Sinne der Big Five als gesellig, durchsetzungsfähig, selbstbewusst und tatkräftig in Wechselwirkung mit der Außenwelt und als gute Unterhalter dargestellt. Außerdem gelten sie als aufregungsliebend und heiter, mit starkem Bedürfnis nach Stimulierung und einer Vorliebe für Menschenansammlungen. Extraversion steht für Geselligkeit und Freude an der Gesellschaft anderer. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig eine höhere Beliebtheit extrovertierter Personen, wie McCrae & Costa bereits 1987 am Beispiel eines Verkäufers veranschaulichen, sondern mehr Freude an der Interaktion mit anderen.
Introvertierte Personen gelten entgegengesetzt der Extraversion als zurückhaltend, ruhig und bedachtsam mit einer Vorliebe nach interner Reflexion und Gedankenfülle. Lang (2008) beschreibt hierbei keine Form von Pessimismus oder fehlenden Frohmut, sondern das Fehlen der Extraversion im Erleben von sozialem Miteinander.
Extravertierte Personen laden ihre Akkus in Gesellschaft auf. Der Akku Introvertierter entleert sich.
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Abzugrenzen ist die Facette Introversion als Ungeselligkeit von Schüchternheit in Form von sozialer Ängstlichkeit und Gehemmtheit. „Soziale Ängstlichkeit ist neurotische Introversion und deshalb von Ungeselligkeit (unneurotische Introversion) zu unterscheiden“ (Neyer & Asendorpf, 2018, S. 145). Introvertierte sind im Gegensatz zu Schüchternen in Unterhaltungen nicht aktiv, weil sie der Interaktion mit anderen keinen hohen Stellenwert einräumen. Schüchterne bleiben aus Angst inaktiv.
Intro- und Extraversion bestimmen als Hauptfaktoren der differenziellen Psychologie das Verhalten von Menschen in der Kommunikation. Extravertierte Personen gelten als gesellig, unternehmensfreudig und aktiv. Sie lieben Aufregung und Menschenansammlungen. Gesprächig, dominant, ausdrucksstark und wortreich nehmen Extrovertierte an Diskussionen und Gesprächen teil und können diese mit ihrer Dominanz beherrschen. Introvertierte werden hingegen als distanziert, kühl, gut reflektiert und verschlossen beschrieben. Sie gelten als still und wortkarg auf einer nachdenklichen und zurückhaltenden Ebene und bleiben eher zurückhaltend, sozial inaktiv und passiv in Verhalten und Kommunikation.
Die Facetten der Introversion wie bedächtig, ruhig, unbeeindruckt, zurückhaltend, distanziert und verschlossen entsprechen dem Fehlen von Extraversion in Form von Geselligkeit, Gesprächigkeit, Aktivität und Aufregung: Introversion entspricht einer niedrigen Ausprägung der Extraversion auf der bipolaren Skala, messbar durch den BFI- 2 (Danner et al., 2019).
Für mehr Informationen und Quellen:
Introversion und Entscheidungsfindung
Die Rolle der Introversion von Mitarbeitern für die Methoden und Konzepte der Organisationsberatung
Introversion in der internen Kommunikation
ChatGPT trifft Introversion – a good Match
Genau am „wunden“ Punkt Introvertierter, der „zwischenmenschliche Kommunikation und Gesellschaft“, kann ChatGPT helfen. Dort, wo das eigene Wissen oder aber auch das Energielevel eines Introvertierten nicht reicht, um in der extrovertierten Welt nachzufragen. Genau hier löst ChatGPT Probleme, findet Antworten oder verifiziert das eigene Wissen.
Und das ohne SmallTalk, ohne soziale Kommunikation und befürchtete Störungen im Miteinander durch das Zusammenspiel zwischen introvertierten und extrovertierten Gesprächspartnern.
Introversion und Prompt Engineering? Geht das denn?
Gleich vorab: Das geht sogar wunderbar. Man muss nur wissen wie. Prompt Engineering ist kein Hexenwerk, sondern durch Logik, Kreativität, Gedächtnis und Algorithmus lösbar.
Durch das lange Überlegen, die Reflektiertheit und die Gedankenfülle Introvertierter könnte diesen einfacher fallen, den richtigen Prompt zu finden und mit kurzen, durchdachten Befehlen eine sehr hilfreiche Antwort von ChatGPT, Midjourney oder anderen KIs zu erhalten. Kommt nicht das gewünschte Ergebnis raus, können Introvertierte ihre Eingabe in sich reflektieren und den Fehler schnell beheben, um doch noch ans Ziel zu kommen.
Und noch besser: Auf die Antwort der KI muss nicht sofort reagiert werden. KI ist nicht beleidigt, wenn sie warten muss. Sie redet nicht dazwischen und unterbricht auch keine Denkpausen. Genau das Wetter introvertierter Personen: Erst in Ruhe nachdenken, dann antworten. Und das, wenn nötig, sogar gänzlich ohne zwischenmenschliche Unterbrechung.
Ist das alles reines Gold und glänzt?
Wo viel Gutes, ist doch auch leider meist ein kleiner negativer Effekt: Dort, wo Introvertierte sonst „gezwungen“ waren, auf andere Personen zuzugehen, Kontakte zu knüpfen und zu halten, Konversation zu betreiben und um Hilfe zu bitten, fallen diese Überschneidungen durch die unpersönliche Hilfe der KI weg. Es gibt weniger Überschneidungen zwischen Intro- und Extrovertierten. Die beiden Welten sehen einander etwas seltener und helfen sich ebenso weniger.
Zwischenmenschliche Nähe ist jedoch wichtig, auch für Introvertierte. Denn auch diese sind soziale Wesen – nur in einem anderen, geringeren Umfang. Aber nicht nur zwischenmenschliche kleine Bedürfnisse könnten leiden.
Auch die Serendipität nimmt ab. Denn häufig sind es die kleinen zwischenmenschlichen Überschneidungen, die Neues bringen, wie Innovationen, nach denen nicht gesucht wurde. Überschneiden sich verschiedenen Wissensstände weniger, treten vielleicht auch unverhoffte Findungen und Erfindungen seltener auf.
Die Auswirkungen werden sich zeigen.
Wichtig bleibt also trotz technischem Helferlein mit allerhand Wissen weiterhin: Tauscht Euch aus. Nicht nur mit der KI, sondern auch mit anderen Menschen. Ob das real in lauten Settings sein muss? Nein. Jeder wie er mag: Online, in Foren, mit den engsten Vertrauten oder zufällig beim Kaffee holen.
Trotzdem kann die KI bei Wissen und Forschung helfen, wenn der lebendige Austausch eben nicht in greifbarer Nähe ist.
In diesem Sinne: Bleibt Euch treu!
Eure Karin
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