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Motivation: Die Kraft des Handelns oder Korrumpierung pur

Lesedauer 5 Minuten

Motivation ist eines der zentralen Themen der Psychologie und beschreibt die treibende Kraft hinter menschlichem Verhalten. Dabei unterscheidet die Wissenschaft zwischen verschiedenen Formen der Motivation, die entscheidend für das Verständnis menschlicher Handlungsbereitschaft sind – insbesondere in einer Zeit, in der die Digitalisierung immer stärker Lern- und Arbeitsprozesse beeinflusst.

Freude an der Arbeit lässt das Werk trefflich geraten.

Albert Einstein

🔥 Motivation im psychologischen Sinne

Motivation kann als innerer Antrieb verstanden werden, der eine Person dazu bewegt, in einer bestimmten Art und Weise zu handeln. Psychologisch betrachtet, umfasst Motivation die Gründe, Ziele und Wünsche, die Verhalten lenken. Diese Motivationen können entweder aus dem Inneren einer Person heraus entstehen (intrinsisch) oder durch äußere Einflüsse bedingt sein (extrinsisch). Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Motivationsformen ist entscheidend, um zu verstehen, warum bestimmte Handlungen ausgeführt werden.

❤️‍🔥 Intrinsische Motivation

Intrinsische Motivation bezieht sich auf Tätigkeiten, die um ihrer selbst willen ausgeführt werden. Menschen handeln hier nicht, um eine externe Belohnung zu erhalten, sondern weil sie das Tun selbst als befriedigend oder interessant empfinden. Klassische Beispiele für intrinsische Motivation sind das Schreiben eines Tagebuchs, das Spielen eines Musikinstruments oder das Malen, einfach weil es Freude bereitet.

Edward L. Deci und Richard M. Ryan, die Pioniere der Selbstbestimmungstheorie (Self-Determination Theory, SDT), betonen, dass intrinsische Motivation eng mit der Erfüllung grundlegender psychologischer Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit verbunden ist. Menschen, die ihre Handlungen aus intrinsischer Motivation heraus ausführen, erleben oft tiefere Zufriedenheit und entwickeln ein höheres Maß an persönlichem Engagement (Deci & Ryan, 1985).

✓ Extrinsische Motivation oder „earn something“

Demgegenüber steht die extrinsische Motivation, die durch äußere Anreize hervorgerufen wird. Diese können in Form von Belohnungen, Anerkennung oder der Vermeidung von Strafe auftreten. Ein klassisches Beispiel ist das Lernen für eine Prüfung, um eine gute Note zu erhalten, anstatt aus eigenem Interesse an der Thematik. Auch im Arbeitsleben spielt extrinsische Motivation eine bedeutende Rolle, etwa in Form von Gehaltserhöhungen, Boni oder Beförderungen.

Obwohl extrinsische Motivation nicht per se negativ ist – sie kann in vielen Situationen notwendig und nützlich sein – besteht die Gefahr, dass sie die intrinsische Motivation verdrängt und langfristig zu einer Entfremdung von der Tätigkeit führt. Diese Problematik wird besonders deutlich im Kontext des sogenannten Korrumpierungseffekts.

⚡️ Der Korrumpierungseffekt: Wenn Belohnungen schaden

Der Korrumpierungseffekt (Overjustification Effect) beschreibt das Phänomen, dass eine ursprünglich intrinsisch motivierte Tätigkeit durch externe Belohnungen ihre Anziehungskraft verliert. Deci (1971) zeigte in einer seiner Studien, dass Teilnehmer, die für eine Aufgabe bezahlt wurden, diese nach Wegfall der Bezahlung seltener freiwillig weiterführten, im Vergleich zu denen, die ohne Belohnung arbeiteten. Die Erklärung liegt darin, dass die externe Belohnung die interne Motivation „korrumpiert“ oder schwächt. Statt sich aus Freude oder Interesse an der Tätigkeit zu beteiligen, verschiebt sich der Fokus auf die Belohnung, und die innere Zufriedenheit, die die Aufgabe ursprünglich hervorgerufen hat, geht verloren.

🧑🏻‍🎨 Ein Beispiel aus der Kunst: Der Maler

Ein anschauliches Beispiel für den Korrumpierungseffekt lässt sich im Bereich der Kunst finden. Ein Maler, der aus Leidenschaft malt, genießt den kreativen Prozess, das Experimentieren mit Farben und Formen, und empfindet tiefes Vergnügen bei der Verwirklichung seiner künstlerischen Visionen. Seine Motivation ist rein intrinsisch: Er malt, weil er es liebt.

Eines Tages entdeckt ein Galerist seine Werke und bietet ihm an, seine Bilder zu verkaufen. Der Maler ist begeistert – wer würde sich nicht über Anerkennung und zusätzliches Einkommen freuen? Doch nach einiger Zeit bemerkt er, dass seine Freude am Malen nachlässt. Er beginnt, seine Werke nicht mehr primär nach seinen eigenen Vorlieben zu gestalten, sondern nach den Erwartungen der Käufer. Die intrinsische Motivation, die ihn einst angetrieben hat, wird durch die Aussicht auf Verkaufserlöse überschattet. Der Korrumpierungseffekt hat eingesetzt: Was früher eine Quelle tiefer Zufriedenheit war, wird nun zu einer Pflicht, die von äußeren Belohnungen bestimmt wird.

👩‍💻 Motivation in der modernen Arbeitswelt

Die moderne Arbeitswelt ist ein komplexes Geflecht aus intrinsischen und extrinsischen Motivationsfaktoren. Während in vielen Berufen extrinsische Anreize wie Gehalt, Boni und Beförderungen dominieren, wird zunehmend erkannt, dass langfristige Mitarbeiterzufriedenheit und -engagement stärker durch intrinsische Motivationen beeinflusst werden.

Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Raum für Autonomie, Kreativität und persönliche Entwicklung bieten, fördern nicht nur das individuelle Wohlbefinden, sondern auch die Produktivität und Innovationsfähigkeit der gesamten Organisation. Ein Beispiel hierfür sind Unternehmen wie Google, die ihren Mitarbeitern einen Teil ihrer Arbeitszeit zur Verfügung stellen, um an eigenen Projekten zu arbeiten – ganz ohne externe Vorgaben. Diese „20%-Zeit“ hat bereits zu zahlreichen Innovationen geführt, die aus rein intrinsischer Motivation entstanden sind.

📱 Lern-Apps und der Korrumpierungseffekt

Ein weiteres Beispiel für den Korrumpierungseffekt lässt sich im Bildungsbereich finden, insbesondere bei der Nutzung von Lern-Apps. Diese Apps belohnen oft erfolgreiches Lernen mit Punkten, Abzeichen oder Minispielen. Auf den ersten Blick scheinen diese Belohnungssysteme eine effektive Methode zu sein, um Kinder zum Lernen zu motivieren. Doch was passiert langfristig? Fördern solche Belohnungen tatsächlich die Lernfreude oder führen sie dazu, dass Kinder nur noch lernen, um die Belohnung zu erhalten?

Kind vor Tablet statt Spielzeug

🎯 Die Folgen des Korrumpierungseffekts

Die langfristigen Folgen des Korrumpierungseffekts sind besorgniserregend. Wenn Kinder daran gewöhnt werden, nur noch für externe Belohnungen zu lernen, könnte dies ihre intrinsische Motivation untergraben. Dies könnte dazu führen, dass sie das Lernen selbst als weniger wertvoll erachten und nur noch dann bereit sind, sich mit neuen Inhalten auseinanderzusetzen, wenn eine Belohnung in Aussicht steht. Diese Entwicklung könnte sich negativ auf die Kreativität, das kritische Denken und die Freude am lebenslangen Lernen auswirken. Ebenso steht es um Geld für gute Noten, Belohnung für getane Hausaufgaben oder das gute Benehmen in der Schule. Schleicht sich das ein, könnte es sein, dass ohne die Belohnung bald nicht mehr viel geht in Sachen, deren Motivation auf diese Art und Weise korrumpiert wurde.

Ein weiterer Aspekt ist die Relevanz der Motivation für die Leistung. Wenn eine Tätigkeit aus intrinsischer Motivation heraus ausgeführt wird, fällt sie oft leichter und wird mit größerem Engagement verfolgt. Dies lässt sich durch das sogenannte Flow-Erlebnis erklären, ein Zustand, in dem man vollkommen in einer Tätigkeit aufgeht, die weder unter- noch überfordert. Der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi beschreibt den Flow als eine optimale Erfahrung, die Menschen oft dann erleben, wenn sie eine Aufgabe aus intrinsischer Motivation heraus angehen.

In der Arbeitswelt wird jedoch häufig beobachtet, dass externe Anreize im Vordergrund stehen. Viele Menschen arbeiten primär für das Gehalt, die Aussicht auf eine Beförderung oder um sozialen Status zu erlangen. Solche extrinsischen Anreize können jedoch – wie bereits beschrieben – die intrinsische Motivation untergraben. Studien zeigen, dass Menschen, die hauptsächlich durch extrinsische Anreize motiviert sind, weniger zufrieden mit ihrer Arbeit sind und ein höheres Burnout-Risiko haben (Gagné & Deci, 2005).

⚖️ Schlussgedanken: Balance finden

Die Frage nach der richtigen Balance zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation ist komplex und sollte nicht leichtfertig beantwortet werden. Besonders im Bildungsbereich und in der Arbeitswelt ist es entscheidend, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die intrinsische Motivation fördern und erhalten. Lern-Apps und Arbeitsmodelle sollten so gestaltet werden, dass sie die natürliche Neugier und Freude an der Tätigkeit unterstützen, anstatt sie durch übermäßige externe Anreize zu korrumpieren.

Und wie sieht es jetzt mit der Belohnung für das Zeugnis aus? Oder für eine lang ersehnte 1 in Deutsch? Darf man das denn gar nicht? – Das ist komplex. Wie wäre es mit einem Urlaub am Meer, dort wo vielleicht der Lieblingsdichter mal einen Sommer verbracht hat? Oder eine Reise nach Pompeji oder Rom, um den Bezug herzustellen und zu zeigen, dass es sich lohnt. Auch für sich selber. Auch ohne äußere Anreize. Motivation erleben.

Eine letzte Frage zum Schluss: Liebst Du noch, was Du tust oder arbeitest Du schon? ❤️‍🔥

Karin

PS: Und „musst“ Du vllt. einfach zu viel, um Dich motivieren zu können? Dann schau mal auf meinem letzten Blogpost „Ich muss – Du musst: Ein ständiger Begleiter“ vorbei.

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