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Introversion und Entscheidungsfindung

Inwiefern der Grad der Introversion die Entscheidungsbildung und deren Ergebnisse beeinflusst

Datum: 08.06.2022

Inhaltsverzeichnis

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  1. Zusammenfassung/Abstract
  2. Einleitung
  3. Methode
  4. Ergebnisse
  5. Diskussion
  6. Literaturverzeichnis
  7. Anhang

1 Zusammenfassung/Abstract

Der Einfluss der Persönlichkeit auf alltägliche Entscheidungen (Gigerenzer, 2008; Collins, 2001) und ob dabei eigenem Vertrauen in Intuition oder dem Drang nach Kognition nachgegeben wird, spielt nicht nur im Alltag, sondern auch im Beruf eine nicht zu unterschätzende Rolle, wenn Menschen auf ihre soziale Umwelt treffen (Neyer & Asendorpf, 2018; Muck, 2004; Danner et al., 2019a). Als große Unbekannte sind derzeit das Zusammenspiel zwischen Introversion bzw. Extroversion, einer Dimension der Persönlichkeitsfaktoren der BigFive (Danner et al., 2019b), und die Zusammenhänge in der individuellen Entscheidungsfindung zu sehen. Verlassen sich Introvertierte im Vergleich zu Extrovertierten auf ihr Gefühl oder denken sie lieber nach? Deshalb wird in dieser Forschungsarbeit mithilfe einer Umfrage über die Ausprägung der Introversion durch das BFI2 (Danner et al., 2019b), einer entwickelten Kurzskala des REI hinsichtlich NC und FI (Keller et al., 2000) und zwei Heuristikfragen (Kahneman, 2012) das Augenmerk auf entsprechende Fragestellungen gelegt. Inwiefern hängen Need for Cognition und Faith in Intuition mit Introversion zusammen? Hilft Introversion bei der korrekten Beantwortung von Heuristikfragen? Und werden Fragen von Introvertierten langsamer beantwortet als von Extrovertierten? Bemerkenswert erscheint der direkte negative Zusammenhang zwischen Introversion und FI, ebenso wie der positive Zusammenhang zwischen Introversion und NC. Ebenso die richtige Beantwortung beider Heuristik-Testfragen konnten Introvertierte für sich entscheiden. Sie haben im Vergleich zu Extrovertierten häufiger beide Fragen korrekt beantwortet. Einzig bei der Antwortzeit überrascht die kürzere Verweildauer der Introvertierten, aber auch nur bei der zweiten von den beiden Heuristikfragen. In der Summe wie auch in der ersten Frage unterscheiden sich Intro- und Extrovertierte bei der Verweildauer nicht. Über die Gründe der Ergebnisse kann insofern spekuliert werden, dass Introvertierte als reflektierter, bedachter und nachdenklicher gelten (Neyer & Asendorpf, 2018, S. 142; Cain, 2011; Collins, 2001).

2 Einleitung

Collins (2001) zufolge hat Persönlichkeit einen großen Einfluss auf organisationalen Erfolg, Effizienz, Effektivität und soziales Verhalten in der Organisation, welche somit wie ein Bindeglied zwischen Persönlichkeits-, Sozial- und Organisationspsychologie wirken könnte – gemeinsam mit Umweltfaktoren (Gigerenzer, 2008). Den Big Five entsprechend gehört zu den Persönlichkeitseigenschaften einer Person neben Neurotizismus, Offenheit für Erfahrung, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit auch der Grad der Extro- bzw. Introversion (Danner et al., 2019b). Diese Ausprägung der Persönlichkeit ist wichtig für das Erleben und Verhalten im Zusammenspiel mit anderen Menschen (Neyer & Asendorpf, 2018; Muck, 2004; Danner et al., 2019a). Nicht geklärt ist, inwiefern der Grad der Introversion bei Entscheidungsfindungen eine Rolle spielt und inwiefern Verhaltensweisen Introvertierter auf Entscheidungen wirken.

Adjektive wie „»still«, »einfach«, »bescheiden«, »reserviert«, »scheu«, »liebenswürdig«, »freundlich«, »zurückhaltend« und »unaufdringlich«“ (Cain, 2011, S. 91) und gemächlich, bedächtig, ruhig, unbeeindruckt, kühl, distanziert, verschlossen und unentschlossen (Neyer & Asendorpf, 2018, S. 142) beschreiben Eigenschaften von introvertierten Personen – gut reflektiert und voll mit Gedanken (Guy-Evans, 2021). Extroversion zeichnet sich hingegen durch Beschreibungen wie entscheidungsfreudig und kampfbereit (Collins, 2001; Dunlop & Andelman, 1997, S. 23 & S. 133), aufregungsliebend, heiter und auch „gesellig, durchsetzungsfähig, selbstbewusst“ (Lang, 2008, S. 39) aus – Extrovertierte seien gute Unterhalter mit starkem Bedürfnis nach Stimulierung (Costa & McCrae, 1987; Muck, 2004). Eben diese Entscheidungsfreude und Durchsetzungsstärke Extrovertierter lassen einen Zusammenhang mit schnellen, intuitiven Antworten bei Heuristikfragen vermuten, wenn Introvertierte gemächlicher, zurückhaltender und gut reflektiert, also eventuell rationaler antworten. Das hat Vor- und Nachteile und spielt in das Erleben und Verhalten, wenn es im sozialen Umfeld um tagtägliche, berufliche oder private Entscheidungen geht.

Zum einen sind Heuristiken nützlich und bringen gute Ergebnisse, wenn es um Antworten mit begrenztem Vorwissen geht, wie politische oder Wissensfragen (Gigerenzer, 2008). Extrovertierte könnten außerdem durch schnelle Urteile, Sprechdenken und Meinungsabgabe in Kaskaden durchaus die zurückhaltende Äußerung von Introvertierten überdecken und die Meinungsbildung anderer beeinflussen (Gläßer & Larbi, 2012; Kahneman, 2021), wenn daraufhin ausschließlich konsistente Meinungen geteilt werden (Brodbeck et al., 2007), weil diese durch die Übereinstimmung valider erscheinen (Wit- tenbaum, Hubbel & Zuckermann, 1999). Introvertierte Personen passen hingegen in Folge ihrer geringen Selbstüberwachung (Osborn et al., 1998) ihre Persönlichkeit weniger im Sinne des Impression Managements an Situationen und andere Personen an (Snyder, 1987), stellen demnach ihre eigenen Erwartungen in den Vordergrund und geben Ihre Meinung mit einer geringeren Anfälligkeit von Anpassung an die Meinung des Gegenübers wieder. Dort wo extrovertierte Personen sprechdenken und schnell reden, denken Introvertierte in Ruhe nach (Gläßer & Larbi, 2012). Hier könnten Introvertierte durch ihr Entscheidungsverhalten in Verbindung mit Zurückhaltung durch Introversion im beruflichen Setting im Nachteil sein, wenn durchdachte richtige Antworten überstimmt würden (Kahneman, 2021; Cain, 2011).

Deshalb ist von Interesse, inwiefern Introversion verantwortlich sein könnte, weniger auf Verfügbarkeits- und Repräsentationsheuristiken zu vertrauen, sondern besser durchdachte Urteile zu fällen. Ebenso inwiefern der Grad der Introversion mit dem Ausmaß von Need for Cognition (NC) (Beißert et al., 2014) und Faith in Intuition (FI) (Keller et al., 2000) korreliert, auch im Vergleich zur Gruppe der Extrovertierten. Hierfür wird eine Befragung durchgeführt, in welcher neben demografischen Daten der Grad der Introversion, der Grad FI und NC und offene Fragen zur Beurteilung der Verwendung von Heuristiken erfasst werden.

Folgende Hypothesen werden anhand der erhobenen Daten statistisch überprüft:

  • Alternativhypothese H1: Der Grad der Introversion korreliert positiv mit der Ausprägung Need for Cognition.
  • Alternativhypothese H2: Der Grad der Extroversion korreliert positiv mit der Ausprägung Faith in Intuition.
  • Alternativhypothese H3: Introvertierte Personen nach BFI-2 lösen beide Aufgaben signifikant häufiger richtig als Extrovertierte.
  • Alternativhypothese H4: Introvertierte Personen haben eine längere durchschnittliche Antwortzeit als extrovertierte Personen bei Beantwortung der zwei Einzelfragen.

3 Methode

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6 Literaturverzeichnis

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